banner
Heim / Nachricht / Angesichts des bevorstehenden Winters überdenkt Deutschland die Maskenpflicht
Nachricht

Angesichts des bevorstehenden Winters überdenkt Deutschland die Maskenpflicht

Dec 30, 2023Dec 30, 2023

Die Zahl der COVID-19-Infektionen steigt und die Krankenhäuser füllen sich. Während einige Länder sagen, die Pandemie sei vorbei, fordern die Gesetzgeber in Deutschland strengere Schutzmaßnahmen, wenn der Winter naht.

Der Herbst ist in Deutschland angekommen und bunte Herbstblätter wirbeln über den Berliner Kurfürstendamm, wo auf beiden Seiten der historischen Straße hochwertige Geschäfte säumen: Kleidung, Parfüm, Geschenke. Ku'damm, wie die Berliner es nennen, lebt von Menschen, die sich von den in den Schaufenstern ausgestellten Luxusprodukten verführen lassen.

Im Moment scheint die Coronavirus-Pandemie eine ferne Erinnerung zu sein. Die soziale Distanzierung gehört der Vergangenheit an und nur eine Handvoll Kunden tragen in Geschäften Gesichtsmasken. Auch Schilder mit der Aufforderung, sie zu tragen, sind verschwunden.

Doch das könnte sich bald ändern. Krankenhäuser schlagen Alarm: Immer mehr Ärzte und Gesundheitspersonal drängen auf eine rasche Wiedereinführung der Maskenpflicht in Innenräumen.

Mit der steigenden Zahl der Coronavirus-Infektionen steigt auch der Druck auf die Krankenhäuser. In vielen Kliniken ist ein normaler Betrieb nicht mehr möglich.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), dem deutschen Gesundheitsinstitut, befinden sich bereits jetzt so viele Coronavirus-Patienten in Krankenhäusern wie während des diesjährigen Höhepunkts. Und die Zahlen steigen.

Nun sind Berlin und Brandenburg die ersten von 16 deutschen Bundesländern, die über eine Wiedereinführung der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen nachdenken, zumindest im Einzelhandel.

„Die Aussichten sind nicht gut“, sagt Ginia Tarique, die hinter der Theke eines Ku'damm-Bekleidungsgeschäfts steht.

„Wir haben viele Besucher aus dem Ausland, denen gefallen die Masken nicht“, sagt sie und faltet einen dunkelblauen Pullover zusammen. „Dann hätten wir auf jeden Fall wieder deutlich weniger Kunden.“

Es wäre auch teurer, sagt Tarique. „Wir bräuchten wieder jemanden an der Tür, der kontrolliert, ob die Leute beim Betreten eine Maske tragen.“

Auf das Geschehen in den Umkleidekabinen hätten sie aber keinen Einfluss: „Das kann niemand wirklich kontrollieren.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach, ein SPD-Abgeordneter, sagt, Deutschland sei dank angepasster Impfstoffe und Medikamente gut auf Herbst und Winter vorbereitet. Dennoch warnt er davor, was vor uns liegen könnte.

„Die Richtung, in die wir gehen, ist keine gute“, sagte er kürzlich mit Blick auf die Situation in Deutschlands Krankenhäusern. Auch die Zahl der Todesfälle nimmt zu, obwohl die aktuelle Omicron-Variante weniger schwere Fälle verursacht.

Derzeit sind die Intensivstationen in Deutschland überwiegend mit älteren Patienten und anderen belegt, deren gesundheitliche Risiken auch bei der milderen Omicron-Variante weiterhin hoch sind.

Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) werden die meisten COVID-19-Patienten auf Normalstationen behandelt. Sie werden häufig mit einer Coronavirus-Infektion und nicht mit schweren COVID-19-Symptomen eingeliefert. Dennoch müssen infizierte Patienten isoliert werden, was mehr Platz und mehr Personal erfordert.

Und hier liegt das Problem. Krankenhäuser haben seit langem Schwierigkeiten, genügend Fachkräfte zu finden, und die meisten Stationen sind chronisch unterbesetzt. Jetzt haben sie noch mehr zu kämpfen, da die Zahl der infizierten Krankenhausmitarbeiter steigt.

Daher müssen die Betten leer bleiben; teilweise müssen ganze Stationen geschlossen werden. Geplante Behandlungen und Operationen werden verschoben und Notaufnahmepatienten mit Herzinfarkt oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen können nicht aufgenommen werden. Die Energiekrise und die damit verbundenen finanziellen Sorgen verstärken die Misere des Gesundheitssektors zusätzlich.

Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist nicht mehr der Bund für die Umsetzung der Maskenpflicht zuständig, sondern die Länder.

Das bedeutet, dass Gesundheitsminister Lauterbach, der sich vehement für eine erneute Maskenpflicht in Innenräumen einsetzt, die Staatsoberhäupter zum Handeln auffordern, sie aber nicht zwingen kann. Es sei besser, jetzt mit geringfügigen Einschränkungen zu arbeiten, als später mit sehr drastischen Maßnahmen reagieren zu müssen, argumentiert er.

„Eine neue Maskenpflicht würde ich verstehen“, sagt die Berliner Verkäuferin Jeannet Seidel, „aber wir wollen das wirklich nicht.“ Seidel arbeitet in einer kleinen Boutique in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms.

„Es ist anstrengend, den ganzen Tag bei der Arbeit eine Maske zu tragen“, sagt sie. „In der Werkstatt läuft auch ein Luftreiniger. Aber wenn es wieder passieren muss, dann soll es so sein.“

Glücklicherweise, sagt Seidel, seien die Kunden in der Vergangenheit sehr verständnisvoll gewesen, was Schutzmaßnahmen angeht.

Aber das ist nicht überall so. Die Meinungen zum Maskentragen in Deutschland sind seit langem geteilt.

Und wo immer noch Maskenpflicht gilt, etwa in Zügen oder im öffentlichen Nahverkehr, gibt es oft Ärger, vor allem wenn das Personal versucht, die Regelung durchzusetzen.

In einer Berliner Arztpraxis erzählt eine Mitarbeiterin, dass sie immer wieder Probleme mit Patienten habe, die trotz Aushang an der Haustür ohne Maske hereinkämen.

„Sie werden oft sehr aggressiv und behaupten, sie hätten eine Allergie gegen die Maske oder sagen einfach, dass sie es nicht akzeptieren würden, eine Maske tragen zu müssen“, sagt sie.

Auch in den sozialen Medien nimmt die Debatte zu. Unter den Hashtags #maskmandatenow und #masksarenomildmeasure beleidigen sich Nutzer gegenseitig und verdoppeln ihre jeweilige Haltung.

Auch unter hochrangigen Politikern gehen die Meinungen auseinander. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte, er sei „derzeit zurückhaltend“, eine Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen wieder einzuführen. „Jeder kann sich schützen, indem er freiwillig eine Maske aufsetzt und sich impfen lässt“, sagte er kürzlich der Wochenzeitung Bild am Sonntag.

Zurück auf dem Berliner Kurfürstendamm ist die Stimmung deutlich entspannter. Sind Masken geschäftsschädigend? Nein, das habe es noch nie gegeben, sagt der stellvertretende Geschäftsführer einer Parfümerie, der anonym bleiben möchte.

„Wir stehen hier drin in einer solchen Parfümwolke, dass die Kunden sowieso mit Teststreifen nach draußen gehen müssen, um etwas zu riechen. Da draußen können sie ihre Masken abnehmen.“

„Wir müssen mit der Pandemie und ihren Folgen klarkommen“, sagt sie, die selbstverständlich eine FFP2-Maske trägt. Ihre ist lila – passend zu ihrem Outfit.

„Wir sind ein kleiner Laden und innerhalb von 15 Minuten können acht oder zehn Kunden im Raum sein“, sagt sie.

Sie möchte sich angesichts der steigenden Infektionszahlen lieber schützen. „Mehrere Freunde von mir waren im Urlaub und alle haben jetzt COVID“, sagt sie.

Sie sagt auch, sie sei nicht überrascht: „Anders als im Zug muss man im Flugzeug keine Maske mehr tragen. Ehrlich gesagt verstehe ich den Unterschied nicht.“

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst